Dampfboote - Historisches - zusammengetragen von Rainer Radow

Nach der Beschreibung der ersten französischen Dampfbeiboote listet Brix den genauen Aufbau zweier Holzrümpfe der englischen Marine auf. Zeichnungen eines deutschen Marinebootes gibt er in seiner ersten Auflage des „Bootsbau“ nicht wieder. Für mich kann dies mehrere Gründe haben. 1. Der Aufbau der deutschen Boote war so bekannt, dass man ihn in diesem Buch nicht auflisten brauchte, Konstruktionen aus dem Ausland waren demgegenüber viel interessanter. 2. Die englischen und deutschen Boote glichen sich tatsächlich sehr. 3. Man wollte dem „Feind“ nicht die eigenen Konstruktionen aufzeigen.

Interessant finde ich auch die Tabelle der englischen Boote am Ende dieses Abschnitts. Vergleicht man die Gesamtgewichte mit den heutigen Booten, so hat sich dort wenig getan. Berücksichtigt man die damals viel größeren Kessel und schwereren Maschinen, so müssen diese Holzboote wirklich in Leichtbauweise ausgeführt worden sein. Im Gegenteil dazu scheinen die Maschinen und Kessel damals noch nicht so effizient gewesen zu sein, da die Kohlenverbräuche heute doch niedriger liegen dürften.
[Brix1878, Seite 11]:

       Die Herstellung der Dampfbeiboote in Holz und nach dem Diagonalprizipe ist allgemein in Deutschland und England. Das Material für jenen Zweck besonders geeignet, da der Diagonalbau große Festigkeit bei relativ geringem Gewicht erzielt, während die minimalen Abmessungen von Stahl- und Eisenconstructionen für Dampfbeiboote entweder für deren Spezialdienst nicht genügende Sicherheit gewähren oder, wenn erhöht, unliebsame Gewichtsvermehrung im Gefolge haben.

       Englische Dampfpinasse (Fig. 52-54) Länge über Steven 9,26 m., Breite 2,33 m., L/B = 3,97, Tiefe 1,42 m. Typ der von White in Cowes für die englische Marine erbauten Dampfbeiboote. Diagonal, jedoch so ausgeführt, das die innere Haut im Winkel von 45° zur Horizontalen steht, die äussere Plankenlage dagegen in üblicher Weise horizontal läuft. Eingebogene, über den Kiel fortgeführte Spanthölzer. Luftkasten im Bug und Heck, sowie an den Seiten entlang, gleichfalls aus doppelter Plankenlage hergestellt. Letztere durch Trennungswände (b), auf welchen die Duchtenkniee festgeschraubt sind, in einzelne Abtheilungen getheilt, von denen je eine auf jeder Seite als Kohlenbunker dient. Jedes Compartiment durch Bodenventile (a) zu entwässern. Construction aus den Zeichnungen völlig ersichtlich. Heissbolzen, um das Boot mit eingesetzter betriebsfähiger Maschine heissen und zu Wasser bringen zu können, besonders zuverlässig durch Steven und Kiel verbolzt.
       Vollständig ausgerüstetes Boot wiegt in Summa 3894,25 K., vertheilt auf: 826,30 K. für Kessel und Schornstein, 276 K. für Kesselwasser bei mittlerem Wasserstande, 269 K. für Maschine und Rohrleitungen, 69,5 K. für Schraube, Welle und Stopfbuchse, 282,25 K. für Kohlen im Bunker, 15520 K. für Bootsinventar und 20216 K. für dass Gewicht des leeren Bootes.
       Mit leerem Kessel und ohne Kohlen liegt das Boot vorn 0,595, hinten 0,8 m. tief. Die Maschinen haben 4 ½ N. Pfdkr., die Dampfspannung beträgt 45 Pfd., die Geschwindigkeit 8 Kn. Und der Preis für das völlig fertige Boot 12000 M.

Figur 52 - Heck


Figur 52 - Bug - (Der Maschinenteil ist in diesem Buch nicht dargestellt!)


Figur 53 und 54

       Bauvorschrift eines klinkergebauten Dampfkutter der englischen Marine. Länge über Steven 7,54 m., Breite auf den Hölzern 1,91 m., Tiefe im Hauptspannt 1,10 m.
       Kiel: eichen 175 x 85 mm. Vorsteven: eichen 120 mm., nach oben und unten auf 52 mm. verjüngt, verbunden zum Kiel durch metallenen Schuh. Aufklotzung: Teak 210 mm. Spanten: Rüstern, eingebogen 20 mm. breit, 15 mm. gemallt; in Distanzen von 235 mm. plazirt. Beplankung: Mahagoni, 10 mm. dick, in der Lannung eine dünne Kautschuklage und durch kupferne Nieten verbunden. Luftdichte Abtheilung: Mahagonibretter, doppelte Lage, je 10 mm. dick und mit Kautschuk-Zwischenlage. Genagelt an 26 mm. dicke Querschotte, die durch metallene Schrauben mit der Aussenhaut verbunden sind.
       Duchten: Ulmen, 184 x 26 mm., durch metallene Kniee auf Trennungsschott der luftdichten Abteilungen verschraubt. Duchtenweger: eichen, 52 x 20, die obere Seite abgerundet.
       Kessellager: Teak, 118 x 78 mm. Buchsen für Rudergabeln: Metall 405 x 40 mm., mit Löchern für 15 mm. starke gabeln. Ruder eichen, 400 mm. breit 26 mm. dick, Beschlag von Metall. Ring- und Heissbolzen: am Hintersteven ein metallener Schenkel 20 mm. stark, ebenso dicke Kielbolzen und Ringbolzen gleichen Materiales im Vorsteven.
       Derartig gebaute Dampfkutter haben völlig ausgerüstet ein Totalgewicht von 1856,9 K. zusammengesetzt aus folgenden Einzelgewichten: Bootsgewicht 800,85 K. Maschinen und Rohrleitungen 115,0 K. Schraube, Welle und Stopfbuchse 40,0 K. Kessel nebst Schornstein 445,0 K. Wasser im Kessel bei mittlerem Wasserstande 129,27 K. Kohlen 235 K. Inventar 91,78 K.
       Mit Inventar und Wasser im Kessel und halben Kohlen liegt das Boot vorn 0,51 m. hinten 0,557 m. tief, was einem Deplacement von 1,7818 cbm. entspricht. Der Preis des fertigen Bootes berechnet sich zu 420 Pfd. Sterl. = ca. 8400 M.

Tabellarische Zusammenstellung
der hauptsächlichen Angaben über von White in Coves für die englische Marine erbauten Dampfbeiboote.